Das Berliner Filmfestival zeichnete eine Doku mit dem Goldenen Bären aus.
Der Dokumentarfilm "Sur l'Adamant" des französischen Regisseurs Nicolas Philibert hat den Goldenen Bären der Berlinale gewonnen. Der Film erzählt von einem Zentrum für Menschen mit psychischen Problemen in Paris. Philibert zeigte sich bei der Preisverleihung ziemlich perplex, als man ihm den Goldenen Bären überreichte: "Sind Sie sich sicher, dass Sie mir diesen Preis geben wollen", fragte er verdutzt.
Die Kritiker und Fachleute hatten die Doku Philiberts gar nicht auf der Rechnung möglicher Preisträger. Vielmehr wurde über Filme wie "Ingeborg Bachmann" von Margarethe von Trotta, "Tótem" der Mexikanerin Lila Avilés oder das Debüt der US-Koreanerin Celine Song, "Past Lives", spekuliert.
Philibert, der wiederholt an Orten dreht, an denen es um Krankheit geht, spürt ganz sensibel dem Alltag in dieser Klinik nach. Er zeigt psychisch kranke Menschen und ihre Abhängigkeiten von der Behandlung, fächert auf, wie vielgestaltig die Arbeit mit Patienten sein kann. Er bricht das Kranksein auf einen Satz herunter: "Wir alle sind die Kranken der Zukunft", sagt er. Eine Distanz zum Kranksein könne sich niemand von uns ernsthaft erlauben, denn das ist der Lauf des Lebens.
Der durchwegs umstrittene Wettbewerb, der unter dem Jury-Vorsitz von Kristen Stewart am vergangenen Wochenende seinen Abschluss fand, ist ein Spiegelbild für den Zustand der Berlinale: Deren künstlerischer Leiter Carlo Chatrian ist ein großer Cineast, er liebt die hohe Kunst, und das kombiniert mit einem A-Festival wie der Berlinale ergibt: Eine Schau von Filmen aus dem Weltkino, aber mit großem Art-Touch. Die Berlinale fällt als A-Festival mit Weltpremieren zunehmend zurück, muss anderen die Erstaufführung und damit die Relevanz überlassen. Will sie ein A-Festival bleiben, braucht sie auch mehr breitenwirksame Filme mit den entsprechenden medienwirksamen Stars.
Dennoch: Die Filmkunst konnte hier heuer wieder ihre Stärke zeigen. So gab es den Jury-Preis für das Psychodrama „Mal Viver“ des Portugiesen Joao Canijo oder den Regie-Preis für Philippe Garrel für „Le grand chariot“ - zwei Filme, die nicht gerade massentauglich sind.
Auch das deutsche Filmschaffen durfte jubeln: Über den großen Preis der Jury für Christian Petzold und seinen Film „Roter Himmel“, und den Drehbuch-Preis für Angela Schanelecs assoziativen Film „Musik“. Überraschend: Der Schauspielerpreis für die erst 8-jährige Spanierin Sofía Otero in „20.000 especies de abejas“, die darin einen Buben spielt, der seine Identität erst finden muss. Otero ist die jüngste Preisträgerin, die jemals bei der Berlinale ausgezeichnet wurde.
Aus österreichischer Sicht brachte die Berlinale den Bären für die beste Nebenrolle: Schauspielerin Thea Ehre erhielt ihn für ihre Darstellung einer Trans-Frau in Christoph Hochhäuslers Noir-Thriller „Bis ans Ende der Nacht“. Das kann für die 1999 in Wels geborene Thea Ehre zum Sprungbrett werden.