Trotz Pandemie konnte die Viennale Besucherrekorde einfahren. Zu den Gewinnern zählte das Austro-Drama „Große Freiheit“ von Sebastian Meise.
Von Matthias Greuling
Eva Sangiorgi zeigte sich zufrieden: Die Viennale-Direktorin konnte am Ende des Festivals stolz verkünden, die Zahl der Besucherinnen und Besucher von 42.000 auf 58.200 gesteigert zu haben, wobei die Auslastung angesichts einer erhöhten Zahl an Sitzplätzen im Vergleich zum Vorjahr mit 74 Prozent gleich blieb. „Die Tendenz zeigt nach oben, wir freuen uns, dass wir wieder mehr Kapazitäten anbieten konnten und das, obwohl die Pandemie nach wie vor da ist“, so Sangiorgi.
Insgesamt fast 300 Filme hatte Sangiorgi von den großen internationalen Filmfestivals dieser Welt nach Wien gebracht, und viele Vorstellungen waren ausverkauft. Als Stargäste tauchten in diesem Jahr unter anderem die französische Regisseurin Mia Hansen-Love, Kult-Regisseur Abel Ferrara oder US-Star Matt Dillon in Wien auf. Letzterer musste sich von einem nervösen ORF-Reporter am roten Teppich vor dem Gartenbaukino auch die klassische Frage nach dem Wiener Schnitzel gefallen lassen.
Im Rahmen der Viennale wird auch jedes Jahr der Wiener Filmpreis verliehen. Der 4.000 Euro schwere Spezialpreis der Jury geht indessen an „Beatrix“ der beiden Nachwuchsregisseurinnen Milena Czernovsky und Lilith Kraxner, wobei die Jury das Werk als „Wurf aus Nonchalance und radikaler Reduktion“ würdigt. Der mit 6.000 Euro sowie weiteren Zuwendungen durch Sponsoren dotierte Wiener Filmpreis für den besten österreichischen Film ging an das homosexuelle Liebesdrama „Große Freiheit“ von Sebastian Meise, das bereits in Cannes reüssieren konnte. „Mit großer Fürsorge und Genauigkeit blicken wir in das Innerste der fantastisch gespielten und inszenierten Figuren, folgen ihnen in jeden Abgrund, sind aber nie verleitet, ihnen zu nahe zu treten oder uns überlegen zu fühlen - und werden sie gerade deshalb nicht mehr los“, so die Begründung der Jury.
Es ist die Geschichte eines Paragrafen, der Homosexualität unter Strafe stellte. Wer nach §175 verurteilt wurde, der musste mit bis zu zehn Jahren Zuchthaus rechnen, und Sebastian Meise hat mit "Große Freiheit" darüber einen Film gedreht. Mit viel Feingefühl für die Betroffenen und mit zwei hervorragenden Hauptdarstellern: Georg Friedrich und Franz Rogowski. Wer öffentlich der gleichgeschlechtlichen Unzucht frönte, wurde nach dem Zweiten Weltkrieg aber selbst bis in die 1970er Jahre hart bestraft. "Das Gesetz selbst ist erst 1994 de facto abgeschafft worden", sagt Regisseur Meise, der mit seiner Produktionsfirma Freibeuterfilm den Stoff fürs Kino umgesetzt hat. Hans Hoffmann (Rogowski) landet gleich nach dem KZ der Nazis, wo er wegen Homosexualität inhaftiert war, direkt weiter im Gefängnis, seine Befreiung ist keine. Im Knast freundet er sich mit seinem Zellennachbarn Viktor (Friedrich) an, beide gehen durch emotionale Wirren und werden einander hier noch öfter treffen, weil Hoffmann wieder und wieder verhaftet wird.
Meise filmt dieses stille, einfache Drama mit großer Eleganz und Schlichtheit, stilsicher und authentisch. Die Viennale hat einen würdigen Preisträger, und einen, der auch noch um weitere Preischancen rittern darf: Von Österreich wird „Große Freiheit“ 2022 ins Rennen um die Oscars geschickt.