Am 27. September 2021 feiert Freddy Quinn seinen 90. Geburtstag. Der Sänger, Schauspieler und Zirkusartist prägte die goldenen Fünfziger-Jahre wie kaum ein anderer. Mit seinen melancholischen Seemanns- und Fernwehliedern erreichte er Kultstatus. Oft geht es darin um den heimatlosen Einzelgänger, den es in die weite Welt zieht. Betrachtet man Freddy Quinns abenteuerliches Leben, sind in seinen Liedern wohl auch zahlreiche eigene Erfahrungen verarbeitet.
Freddy Quinn wurde 1931 als Manfred Nidl in Wien geboren. Nach der Trennung seiner Eltern zieht er mit seinem Vater in die USA, wo er die Volksschule besucht. Als seine Mutter das Sorgerecht erhält, kehrt er zu ihr nach Wien zurück. Um seinen Vater endlich wieder besuchen zu können, gibt er sich nach Ende des Zweiten Weltkriegs gegenüber den US-Streitkräften als Amerikaner aus - und schafft es dank seines perfekten Englisch tatsächlich mit einem Militärtransport in die USA zu gelangen. Dort erwartet den gerade erst 14 Jahre alten Quinn ein schwerer Schicksalsschlag: Sein Vater war bereits zwei Jahre zuvor bei einem Autounfall tödlich verunglückt. „Damals lernte ich zum ersten Mal, was wirklicher Seelenschmerz ist“, sagte Quinn später in einem Interview über diese qualvolle Erfahrung.
Zurück in Europa besucht Quinn zunächst die Volksschule in Antwerpen und später in Wien. Nach nur kurzer Zeit am Gymnasium in der Albertgasse im 8. Bezirk, reist er im Alter von 16 Jahren wieder aus und schließt sich einem Wanderzirkus an. Dort arbeitet er als Musiker und läßt sich zum Akrobaten und Seiltänzer ausbilden. Über seine Zeit beim Zirkus sagte Quinn später in einem Interview:
„Die war toll. Das war meine Basis. Die wichtigste Lehre meines Lebens überhaupt. Von den Artisten habe ich gelernt, dass das Publikum meine Gage bezahlt. Dass ich die verdammte Pflicht habe, dafür meine Arbeit abzuliefern. Dort war ich ein Allroundman. Es war ein winzigkleiner Wanderzirkus. Statt in die vierte Gymnasialklasse zu kommen, bin ich mit dem Zirkus weggelaufen, weil ich meinen Stiefvater nicht leiden konnte. Jedenfalls habe ich beim Wanderzirkus von der Pike auf alles gelernt. Ich bin Traktor gefahren, habe das Zelt auf- und abgebaut, eine kleine Nummer gemacht, war Musiker und Kapellmeister, Zwei-Mann-Musik mit Akkordeon und Saxophon. Für Artisten gibt es keinen doppelten Boden, kein Playback.“
Da er aber zum damaligen Zeitpunkt noch minderjährig war, wird er im Auftrag der Eltern polizeilich gesucht. Quinn flüchtet daraufhin per Anhalter vom Burgenland nach Rom, wo er sich eine zeitlang als Klavierspieler für US-Soldaten über Wasser hält. Später reist er über Palermo und Tunis weiter nach Algerien.
In der algerischen Stadt Sidi bel Abbès tritt er in Bars mit seiner Gitarre vor mehrheitlich deutschsprachigen Fremdenlegionären auf. Mit seinen Liedern über Sehnsucht und Heimweh kommt er bei den Soldaten gut an und verdient damit viel Geld. Ein Ausbilder der Fremdenlegion macht ihm sogar das Angebot, probeweise an der Grundausbildung teilzunehmen. Quinn willigt ein, entscheidet sich aber nach drei Wochen Drill gegen die Fremdenlegion. Über einen Zwischenstopp in Frankreich kehrt er schließlich nach Deutschland zurück.
In Deutschland bleibt Freddy Quinn dem Militär weiterhin verbunden. Er tritt in Fürth mit Country-Songs vor amerikanischen Soldaten und in Nürnberg bei deren Rundfunksender American Forces Network (AFN) auf. Ab 1954 hat der inzwischen 23-jährige Quinn ein festes Engagement in der Hamburger Washington Bar auf St. Pauli. Dort wird er schließlich auch von Fernsehregisseur Jürgen Roland und dem Musiker Werner Baecker entdeckt.
Nach ersten Aufnahmen für den TV-Sender, wird die Plattenfirma Polydor auf Quinn aufmerksam und ermöglicht ihm eine Gesangs- und Schauspielausbildung. 1956 hat er mit Heimweh seinen ersten Hit und schafft es damit zum ersten deutschen Schallplatten-Millionär. Im selben Jahr startet er bei beim ersten Eurovision-Songcontest, wird aber mit seinem Lied So geht das jede Nacht disqualifiziert. Quinn dazu in einem Interview:
„Ich war der erste, der damals Deutschland vertreten hat. Mit einem total falschen Lied. Die Ursprungsform dieser Veranstaltung war ja ein Chanson. Die Kriterien waren genau auf Chanson nach französischem Vorbild gedacht. Das heißt: eine Geschichte, musikalisch untermalt, teilweise gesprochen, so wie Charles Aznavour, Yves Montand, Edith Piaf und ich bin dahin gegangen und habe Rock and Roll gesungen.“
In den folgenden zehn Jahren konnte Freddy Quinn zehn Nummer-eins-Hits landen. Dazu gehören Titel wie Junge komm bald wieder, Der Legionär, Brennend heißer Wüstensand, Die Gitarre und das Meer oder La Paloma. Sein letzter Nummer-eins-Hit war 100 Mann und ein Befehl, eine deutsche Cover-Version des Titels The Ballad of the Green Berets des Vietnamveteranen Barry Sadler. Mit mehr als 60 Millionen verkauften Tonträgern, 17 goldenen Schallplatten, 16 Löwen und zwei Bambis gehört Quinn heute neben Udo Jürgens und Peter Alexander zu den erfolgreichsten deutschsprachigen Interpreten.
Die Schauspielkarriere Freddy Quinns beginnt 1958 mit einer kleinen Nebenrolle als Spelunkensänger in der Krimireihe Stahlnetz. Danach folgen zahlreiche Engagements als Hauptdarsteller für Musikfilme, in denen er häufig eine Figur mit dem Vornamen „Freddy“ spielt. Sein erfolgreichster Film Freddy, die Gitarre und das Meer wird 1959 mit dem Bambi in Gold ausgezeichnet. 1962 startet er mit dem Musical Heimweh nach St. Pauli eine weitere Karriere als Musical-Star und Volksschauspieler. Mit dem Volksstück Der Junge von St. Pauli feiert er 1970 ebenso Erfolge wie drei Jahre später mit Mensch, Kuddel, wach auf!.
Mitte der 60er-Jahre wendet sich Quinn wieder mehr seinen Wurzeln beim Zirkus zu. Er moderiert die Fernsehsendungen Zirkus, Zirkus und Manegen der Welt, beeindruckt aber vor allem mit spektakulären Hochseil-Auftritten ohne Netz in Stars in der Manege und in der Arena der Sensationen. Von Fürst Rainier von Monaco erhält er sogar den Zirkus-Oscar, auf den er besonders stolz ist.
Als Ende der 60er-Jahre Künstler wie Elvis oder die Beatles ins Rampenlicht treten, beginnt Quinns Stern zu sinken. Obwohl er keine Nummer-eins Hits mehr landen kann, ist er dennoch weiterhin gern gesehener Gast in zahlreichen Fernsehshows, spielt in TV-Filmen, moderiert eigene TV-Shows und ist erfolgreich auf Tournee. Seine Abschiedstournee Memories gibt er schließlich 2005 im Alter von 74 Jahren – gemäß seinem Motto: Aufhören, bevor das Publikum Mitleid mit dir hat. Für sein Lebenswerk wird Freddy Quinn im Jahr darauf vom damaligen Bürgermeister Dr. Michael Häupl der Goldene Rathausmann seiner Heimatstadt Wien überreicht.
Freddy Quinn hat sein Privatleben stets vor der Öffentlichkeit verborgen. Erst 2004 wurde durch einen Gerichtsprozess bekannt, dass er mit seiner Managerin Lilli Blessmann bereits seit 1956 verheiratet war. „Ich habe nie über mein Privatleben geredet“, meinte Quinn auf die Frage, weshalb er seine Ehe so lange verschwiegen habe. „Es hat mich aber fast amüsiert, wenn Leute verbreitet haben, ich sei homosexuell. Ein Mann in meinem Alter ohne Frau – da musste ja die Gerüchteküche brodeln“.
Kinder hatte das Paar keine, aus guten Gründen, wie Quinn in einem Interview erklärte: „Es war eine klare Entscheidung, dass wir keine Kinder wollten, weil Kinder eine intakte Familie brauchen und nicht einen Menschen, der kaum zu Hause ist. Da ich selbst ein hin- und hergerissenes Kind war, hatte ich keine Lust, mich in dieselbe Situation zu begeben und meinem Kind kein anständiges Familienleben zu gönnen.“
Seit dem Tod von Lilli Blessman im Jahr 2008 hat sich Freddy Quinn weitgehend aus der Öffentlichkeit zurückgezogen. 2021 gab Quinn erstmals seit längerer Zeit wieder ein Interview, in dem er auch über seine neue Beziehung mit seiner Freundin Rosi erzählte. Das Paar lebt in Hamburg und reist viel - wie könnte man es von Freddy Quinn auch anders erwarten!