HDR macht gerade mit klassischem Fernsehen, was der Kometeneinschlag mit den Dinosauriern gemacht hat: es leitet eine neue Evolution ein. Kein Wunder also, dass die Giganten der Technik-Branche hier ihr ganzes Forschungs-Potential entfalten. Die HDR-Formate HDR10+ und Dolby Vision versuchen ihren Zugang zum HDR-Format möglichst vielen Videoformaten und Anbietern zu eröffnen – im internationalen Wettkampf profitieren beide Seiten. Heute schauen wir uns an, wie HLG als neues HDR-Format die Karten neu mischt.
HDR bringt die Bildqualität der Fernseher auf das Niveau einer Fensterscheibe: durch beide erkennen wir glasklar das dahinterliegende Panorama. Wieso war das bisher nicht so? Das menschliche Auge kann Kontraste wahrnehmen, die kein Bild der Welt festhalten kann – dafür reicht einfach der Fortschritt der Technik nicht. Doch das ändert sich jetzt: durch das Überlappen mehrerer Bildebenen entsteht bei HDR eine Bildqualität die das Gehirn bisher nur aus der Realität kennt. Links im Bild kann ein Wald im dunklen Schatten erkennbar sein, während rechts ein gleißend helles Osterfeuer brennt. Dabei ist eine Unterscheidung besonders interessant: HDR hat nichts mit der Bildauflösung zu tun. Achtet beim Fernseherkauf also auch auf Full-HD, UHD oder 4K.
Wer bis jetzt nur Bahnhof versteht kann in unserem Artikel 10 TV-Technik-Begriffe einfach erklärt sein Fernseh-Vokabular etwas auffrischen.
HDR ist also eine komplett neue Technologie. Und wie das bei solchen Technologien immer ist, kann sie noch aufs Äußerste verbessert werden. Natürlich will dabei jeder große Player der erste sein, der den Durchbruch feiert – aber wer könnte das Rennen machen? Einer der Player ist Dolby Vision. Einen Namen, den man aus dem Kino kennt: das Dolby Soundsystem wird weltweit seit dem Film Batman Begins von 1992 eingesetzt. Im globalen Ring begegnet Dolby Vision seinem größten Konkurrenten: Samsung. Doch auch wenn einige Stimmen der Technik-Branche von einem „Format War“ – also zu Deutsch „Format-Krieg“ – sprechen, ist das nicht glaubwürdig. Zwar konkurrieren die HDR-Giganten, doch die Rivalität ist fruchtbar: so kann jedes Format aus den Vorteilen der anderen lernen.
Was bedeutet das für den Normalverbraucher? Erstmal nichts. Wer HDR genießen will, kann das mit dem derzeitigen Standard HDR10, der von allen HDR-fähigen-Endgeräten und einer breiten Fülle von Anbietern unterstützt wird. Wer also einen HDR10-tauglichen Fernseher hat, kann HDR-Videomaterial sehen. HDR10+ von Samsung und Dolby Vision von Dolby können dagegen mehrere Millionen Farben mehr darstellen als HDR10. Das Problem dabei: zwar unterstützt jedes Endgerät HDR10, jedoch sind noch nicht alle mit Dolby und HDR10+ kompatibel – jedenfalls derzeit. Wir befinden uns also gerade in einem Zeitfenster vor dem Durchbruch: denn ein Standard wird das Rennen voraussichtlich machen.
Wer noch mehr über HDR erfahren will, sollte sich unseren Artikel HDR: die visuelle Revolution im TV nochmal anschauen.
Nun tritt mit HLG ein komplett neuer Interessensverband auf die Bildfläche: HLG wird vom britischen Sender BBC und dem japanischen Network NHK entwickelt. Es setzt sich insbesondere durch einen Faktor von den beiden großen Anbietern ab: HLG will HDR-Material per Rundfunk empfänglich machen – damit wäre HDR-Content im Gegensatz zum Status Quo als Programm zu empfangen.
Außerdem basiert HLG auf einer etwas anderen Technologie. Samsung und Dolby verwenden das sogenannte PQ, den „Perceptional Quantizer“. Dabei geht es simpel gesprochen um Licht: Fernseher können gigantische Reichweite an hellem Licht darstellen – doch das menschliche Auge konzentriert sich eigentlich auf dunkle Bereiche, also Schattierungen. Hier kommt die Gamma-Kurve ins Spiel. Diese verlagert die Datenerfassung des Fernsehers von der hellen zum dunklen Ende des Spektrums – und arbeitet damit ähnlich wie das menschliche Auge. Der PQ von Dolby und Samsung ist eine solche Gamma-Kurve, aber auf Steroiden. Noch mehr Schatten sind erfassbar.
HLG verwendet aber gar nicht den neuen „Perceptional Quantizer“ sondern die alte Gamma-Kurve – und lässt damit sozusagen die Steroide weg. Dabei wird die Gamma-Kurve zum Ende hin zu einer logarithmischen Kurve. Was bedeutet das? Wenn es um Übertragung geht, dann kann man als Sender wie BBC nie wissen, welchen Fernseher der Empfänger hat. Manchen Fußball-Fans mag es egal sein, ob er jeden einzelnen Grashalm im Stadion erkennt, solange der Rasen grün ist. Der Fernseher dieses Fans kann trotzdem die Standard-Kurve interpretieren – HDR-TVs, die das HLG-Programm empfangen, bekommen aber trotzdem automatisch saubere HDR-Qualität. In einem Satz: HLG ist abwärtskompatibel, bietet aber ebenso Qualität auf HDR10-Niveau.
Wem HDR10-Content zu wenig ist, kann sich ein Endgerät auf Dolby oder HDR10+-Niveau anschaffen. HLG-Content dagegen wird die Übertragung von HDR-Inhalt in HDR10-Qualität per Rundfunk ermöglichen und könnte sich dadurch als Standard anbieten. Doch am Ende des Tages ist auch das nur eine Einschätzung: umso mehr neue Ideen auf internationaler Ebene ausprobiert werden, umso mehr profitiert der Endverbraucher. Schließlich kann man sich sicher sein, dass Dolby und Samsung die Vorzüge von HLG unter die Lupe nehmen und vielleicht in Verbindung mit ihrer Technologie sogar auf ein neues Niveau heben werden? Vielleicht ist die Lösung der Zukunft aber auch ein fruchtbares Nebeneinanderleben – so haben es ja bekanntlich auch die ersten Säugetiere nach den Dinosauriern gehalten.