Kirsten Dunst feiert am 30. April ihren 40. Geburtstag. Im Interview erzählt sie über ihren letzten Film „The Power of the Dog“, über Social Media und ihre Rolle als Mama.
Frau Dunst, sie spielen in „The Power of the Dog“ die alkoholkranke Mutter Rose, die einen wohlhabenden Farmer heiratet. Was hat sie an dieser Figur gereizt?
KIRSTEN DUNST: Weniger die Figur an sich als vielmehr die Zusammenarbeit mit Jane Campion war für mich der Grund, diesen Film zu drehen. Ich bin ein Fan ihrer Filme seit „Das Piano“ und würde für Jane wirklich jede Rolle spielen. Aber meine Entscheidungen zur Rollenwahl fallen meist wegen der Regisseure, die das Projekt umsetzen. Rose ist als Figur sehr weit weg von mir, und was mir gefiel, ist ihr langsamer Abstieg; ich mag Filme, in denen sich Dinge ankündigen, ohne, dass man sie sieht. So ein Film ist dieser auch, und Rose ist einer dieser Figuren, die ihn vorantreiben. Die Herausforderung bei Rose war, ihren Verfall zu zeichnen, sie zu zeigen, wie sie immer mehr dem Alkohol verfällt, und wie sich dadurch der Konflikt mit Phil immer mehr steigert.
Der Film ist ein Western, er kreist aber intensiv um die Figuren, anstatt Action zu zeigen.
Die Art, wie Jane Campion filmt, ist besonders. Sie hat einen ganz eigenen Stil gefunden, der gerade dann so packend ist, wenn er die Spannung zeigt, die zwischen den Protagonisten liegt. Im Übrigen: Dass man allerorts jetzt hervorkehrt, dass die weiblichen Regisseure im Kommen sind, ist toll, aber für mich hat sich das alles nie so aufgeteilt in Männer und Frauen. Ich habe schon zu Beginn meiner Karriere regelmäßig mit Frauen auf dem Regiestuhl gearbeitet, für mich ist das ganz normal. Und für mich war das Geschlecht niemals ausschlaggebend, sondern immer nur die Vision, die jemand für eine Geschichte hat. Eine selbstbewusste Vision, die eine Handschrift erkennen lässt, so etwas gefällt mir. Und ich denke auch, dass die Regisseure, mit denen ich arbeite, genau das in mir suchen: Eine Mitarbeiterin, die sich dieser Vision hingibt.
Macht es für Sie einen Unterschied, ob Sie eine Rolle in einem Kostümdrama oder in einem zeitgenössischen Film spielen? Verändert das Dekor und das Kostüm die Art zu spielen?
Man hat ja für jede Rolle eine gewisse Einarbeitungszeit. Es macht keinen großen Unterschied, ob es eine Königin ist oder eine Alkoholkranke - die Recherche ist immer die gleiche. Aber wissen Sie, in einem Korsett eingeschnürt zu sein, das ist wirklich schrecklich! Das ist es, was ich an historischen Filmen gar nicht mag. Aber im vorliegenden Fall könnte dieser Film auch in den 50ern oder 60er gedreht worden sein. Er hat eine sehr zeitlose Qualität und Anmutung, finde ich. Er hat wunderbare Bilder und ist einzigartig, weil man solche Filme heute nicht mehr dreht.
Der Film wurde von Netflix produziert. Welche Erfahrungen haben Sie mit den Streaming-Diensten gemacht? Sind sie das Ende des Kinos, wie wir es kennen?
Netflix hat vielen Filmemachern ermöglicht, ihre Filme zu drehen, die sie unter der Ägide von Studios gar nicht hätten machen können. Ein Film wie „The Power of the Dog“ gehört natürlich auf eine große Leinwand, aber dieser Tage verbringen die Menschen notgedrungen und pandemiebedingt mehr Zeit vor dem Fernseher. Sie sehen dort heute Filme, die sie im Kino niemals angesehen hätten. Viele Menschen, die „Das Piano“ nie gesehen haben, sehen jetzt „The Power of the Dog“. Das ist für mich auch eine Art Bildung: Filmkunst ist plötzlich für alle auf der Welt verfügbar.
Sie haben große Mainstream-Filme wie „Spiderman“ gedreht, aber immer auch den Ausgleich in Arthaus-Filmen gesucht. Welches Konzept steckt dahinter?
Was immer ich jemals gedreht habe - hinter all dem steckt zuallererst mein Bauchgefühl. Deshalb gab es schon zu Beginn meiner Karriere Filme wie „Interview mit einem Vampir“, der ein großer finanzieller Erfolg war, gefolgt von „The Virgin Suicides“, der wiederum die Kritiker überzeugte. „Spiderman“ war natürlich eine große Nummer, aber ich brauchte immer irgendwie den Ausgleich. Und die großen Filme gaben mir stets die Freiheit, Geld für die kleineren zu haben, denn meine Liebe für das Kino gehört dem Arthaus-Film. Aber groß budgetierte Filme sind deshalb nicht schlecht. Man bekommt einen fetten Scheck und kann sich einen tollen Urlaub leisten. Ich glaube, es ist gut, beides zu machen.
In „The Power of the Dog“ haben Sie einen Sohn, privat sind Sie Mutter zweier kleiner Söhne. Was konnten Sie sich da für den Film bei Ihnen abschauen?
Meine zwei Söhne will ich mit einem Maximum an Selbstrespekt und Respekt für andere erziehen. Die Welt ist so verroht geworden, dass wir wieder lernen müssen, die Mitmenschen zu respektieren. Sich selbst zu lieben, die Natur zu lieben. Ich will meine Kinder in Freiheit aufwachsen sehen. Ich hoffe, das gelingt mir. Wobei, ich muss sagen, dass ich sehr froh bin, zwei Buben zu haben, denn die Mädchen stehen in dieser Welt heute unter einem enormen Druck. Allein, was die für einen Schönheitsdruck via Instagram erleben, ist unfassbar. Da lassen sich Mädchen operieren, ohne sich das wirklich leisten zu können, nur um dann erst nicht so auszusehen, wie sie aussehen wollen. Es ist so deprimierend. Da leben junge Menschen ein Leben auf Instagram, das mit der Realität überhaupt nichts gemein hat. Es ist eine Scheinwelt. Kürzlich habe ich ein Instagram-Foto einer meiner Freundinnen gesehen, wie sie völlig entspannt an ihrem Urlaubsort in die Kamera lacht. Das ist die eine Seite. Aber ich weiß, dass ihre Kinder sie hinter der Kamera in den Wahnsinn treiben. Das ist eine verlogene Welt.