Es wird noch bis März dauern, bis James Bond in „No Time To Die“ ermitteln kann. Bis dahin: Ein exklusiver Besuch am Set bei den Dreharbeiten zum 25. Bond-Abenteuer
Text: Siegfried Tesche/Matthias Greuling
Es sind fünfeinhalb Jahre vergangen, seitdem der letzte James Bond-Film „Spectre“ in unsere Kinos gekommen ist. Seitdem gab es viele Planungen, Autoren- und Regiewechsel, und lange Zeit war noch nicht mal klar, ob Daniel Craig nochmals als 007 vor der Kamera stehen wird. Am 16. August 2017 gab er jedoch bekannt, dass er die Rolle nochmals spielen wird. Von Ende März bis Dezember 2019 liefen die Dreharbeiten für den neuen Film „Keine Zeit zu sterben“ (No Time to Die), der nun nach etlichen Startterminverschiebungen final am 31. März 2021 anlaufen soll, nicht wie zuletzt geplant Anfang November. Die Corona-Krise hat alle Planungen zunichte gemacht, doch deshalb verzichten wir nicht auf die angebrachte Dosis Bond: Im August und September 2019 war die mehr als 400 Personen umfassende Crew im süditalienischen Matera an der Arbeit, wo sich für unseren Autor, den Bond-Experten Siegfried Tesche, die Gelegenheit bot, aufwändige Stunts zu beobachten.
Es müssten 282 PS sein, die der klassische Aston Martin DB 5 aus dem Jahr 1964 auf die Straße bringt, aber bevor man den silbernen Klassiker sieht, hört man ihn ganz deutlich. Einer von zehn (!) Wagen, die für die Dreharbeiten nach Matera gebracht wurden, rast die Via San Biagio entlang. Er passiert die überlebensgroße Skulptur eines langbeinigen schwarzen Elefanten von Salvator Dalí, die für eine Ausstellung in der Stadt wirbt, und driftet mit quietschenden Reifen über die Piazza Vittorio Veneto, um die Via XX. Settembre zu erreichen.
Einige der knapp 50 Statisten bringen sich in Sicherheit und flüchten aus der Fußgängerzone, denn nur wenige Sekunden später folgt ein mattschwarzer Mercedes ML 63 mit hoher Geschwindigkeit. Darin sitzt aber nicht etwa ein Bösewicht, sondern die Crew. Sie verfügt über einen so genannten Scorpio Arm, einem langen Ausleger über dem Dach des Wagens, an dem die Filmkamera hängt. Der zeichnet jede Bewegung des Sportwagens auf und federt Stöße ab. Dann ist auch noch ein Motorrad mit einer Kamera dabei, die das Geschehen von der Seite filmt. Der vielfach ausgezeichnete, frühere Motocross-Rennfahrer Rob Herring fährt diese KTM 530. Nach einem eindringlichen „Cut“ von 2nd-Unit-Regisseur Alexander Witt, bewegen sich die Fahrzeuge zum Ausgangspunkt zurück. Das Ganze beginnt von vorn.
Der gebürtige Chilene Witt ist zum vierten Mal für die spektakulären Verfolgungsjagden der James-Bond-Filme verantwortlich. Er ist Teil des Teams, das in Europas Kulturhauptstadt 2019 die Eröffnungssequenz des letzten Einsatzes von Daniel Craig dreht. Schon vor mehr als zehn Jahren sollte die 60.000 Einwohner zählende Stadt Drehort werden, doch die geplante Sequenz wurde als zu aufwändig verworfen.
Stattdessen wurden der Gardasee und Carrara Schauplätze der ersten Bilder von „Ein Quantum Trost“. Location-Manager Enzo Sisti, der vor vier Jahren für „Spectre“ eine nächtliche Verfolgungsjagd durch Rom und den Vatikan organisierte, überzeugte die Produktion von der spektakulären Kulisse. „Bei diesem James-Bond-Film gibt es sehr viele Spezialeffekte und Explosionen“, sagte der grauhaarige Profi im italienischen Fernsehen. „Das ist auch für mich eine neue Erfahrung. Bei ‚Spectre‘ haben wir sehr viel nachts gearbeitet. Hier sind wir in einer Kleinstadt voller historischer Gebäude und müssen viel beachten und berücksichtigen. Es gibt ständig negative, aber auch positive Überraschungen“. Er fügt hinzu, dass dieses Mal Matera auch Matera im Film ist „und nicht Jerusalem wie in vielen anderen Filmen.“
Vor allem dürfen die historischen Gebäude, die zum Teil aus dem 16. Jahrhundert stammen, nichts abbekommen. Um auf der einen Seite den sensiblen Bereichen nicht zu schaden, auf der anderen Seite den Zuschauern aber etwas Besonderes zu bieten, gibt es strenge Bedingungen. Die Drehorte wurden aufwändig abgesperrt, mehrere hundert Helfer als Sicherheitspersonal rekrutiert. Jeden Abend säubern Hilfskräfte die Straßen von den Reifenspuren der Wagen, extra Bauten wurden errichtet.
An der Via Domenico Ridola entstand ein Hotel mit Aussichtsterrasse für 250.000 Euro, weil man so einen unverbauten Blick in die Sassi, die Höhlensiedlungen der Stadt, hat. Hier erleben Bond und die zum zweiten Mal von Léa Seydoux gespielte Madeleine Swann einen romantischen Abend. Auf der anderen Seite der Stadt, nahe der Kirche Madonna delle Vergini, entstand ein Friedhof aus Pappmaché. Dort wurde eine Szene gedreht, in der James Bond an Vesper Lynds Grab trauert. In Gravina, knapp 30 Kilometer nordwestlich von Matera, wurde mehrere Tage lang ein römisches Viadukt gesperrt, weil ein Stuntman dort heruntersprang.
Enzo Sisti empfindet das Ganze als „sehr, sehr kompliziert, und es wird auch schwierig bleiben. Tag für Tag tauchen neue Probleme auf. Man muss mit den Behörden Absprachen treffen, Straßen absperren, den Verkehr umleiten und neue Sets errichten. Es gibt ständig Besprechungen mit dem Regisseur, dem Kameramann und den Stuntfahrern, und alle sind ganz verrückt, denn es geht um Bond. Die Serie und die Figur sind ja schließlich ein Massenphänomen.“
Und dieses Phänomen soll der neue Film auch entsprechend bedienen. Dafür garantiert ein letztes Mal Daniel Craig in der Titelrolle - ein Nachfolger ist noch nicht in Sicht. Aber hoffen wir grundsätzlich erst mal, dass wir das finale Craig-Abenteuer überhaupt im Kino zu sehen kriegen.
Übrigens: Du willst noch mehr Blicke hinter die Kulissen von James Bond werfen? Siegfried Tesche nimmt dich mit in den Welt von Agent 007 - Er erzählt von Hintergründen, den unzähligen Autos und schönen Drehorten.