Der große österreichische Schauspieler Klaus Maria Brandauer wird am 22. Juni 80 Jahre alt. Im Interview spricht er über seine Filme und seine Karriere - vom „Jedermann“ bis hin zu seiner Rolle als Gegenspieler von James Bond
Welche Einstellung haben Sie zum Alter?
Klaus Maria Brandauer: Ich empfinde mich überhaupt nicht als alt, diese Unverschämtheit möchte ich schon noch mitteilen. Im Gegenteil: Ich glaube, es ist mir noch nie so gut gegangen wie jetzt, obgleich ich denke, dass ich etwas verloren habe: eine gewisse Unbekümmertheit gegenüber dem Leben. Ich sehe, dass man nicht genug aufpassen kann, dass dort, wo man lebt, arbeitet, denkt und fühlt, die Demokratie erhalten bleibt. Die Demokratie ist kein Geschenk, man muss ständig - ich würde sagen: sekündlich - darum bemüht sein, sie zu bewahren, sie wiederherzustellen, wo sie verloren gegangen ist. Immer wieder höre ich, wie Menschen sagen, dass die Demokratie nicht die idealste Form des Zusammenlebens ist. Wenn ich das höre, bin ich fassungslos. Wo ich Einfluss habe, wo ich öffentlich auftrete - und dazu gehört auch das Theater - soll man hören, dass ich nicht dieser Meinung bin. Der Rechtsstaat muss geschützt werden, er darf nicht aufs Spiel gesetzt werden. So manche Politiker gehen damit sehr schludrig um, das muss bekämpft werden. Wo jeder einzelne etwas bewegen kann, da sollte man für die Demokratie kämpfen. Dass es auf der Welt manchmal so zugeht, als wäre gerade ein Faschingsgschnas, ist eine andere Geschichte. Man kann ja oft nicht glauben, was man so hört. Daher: Aufpassen auf die Demokratie und auf unsere Werte. Und aufpassen auf die Gewählten. Denn die sind verpflichtet, das zu tun, was ihnen die Wähler aufgetragen haben. Wenn sie das nicht tun, muss man den Mund aufmachen.
Hinter Ihnen liegt eine lange Karriere am Theater und im Film. Ihr filmischer Schlüsselmoment war 1981 die Mitwirkung in Istvan Szabos „Mephisto“. Welche Erinnerungen haben Sie daran?
Klaus Maria Brandauer: Ich war von Anfang an mehr auf das Theater vorbereitet, das ist das, was ich immer wollte. Ich hatte aber schon früh Kontakte zum Film, das war in Düsseldorf, Wien und Berlin, aber das Theater füllte mich damals so aus, dass ich gar nicht daran dachte, Filme zu drehen. Als Istvan Szabo mich anrief, um mir „Mephisto“ anzubieten, wusste ich sofort, dass ich das machen wollte. „Mephisto“ war zunächst als Fernsehproduktion geplant. Die Dreharbeiten waren toll, denn das Team war perfekt und Szabo war ein unglaublicher Regisseur und ein großartiger Mensch. Ein Moralist noch dazu, das ist sehr positiv gewesen. Es bleibt selbst bei einem perfekt vorbereiteten Dreh immer ein Rest an Unsicherheit. Man kann sich nie ganz sicher sein, selbst bei der exaktesten Vorbereitung trifft der Zufall sehr viele Entscheidungen. Wie zum Beispiel jene, dass der Film nicht im TV-Programm landete, sondern eine Einladung zum Festival in Cannes erhielt. „Mephisto“ war ein Schatz, ein fantastisches Fressen für einen Schauspieler. Ich spiele einen Schauspieler, der alles zeigen darf, was in ihm steckt.
Hatten Sie Ihre Eltern stets gefördert, wenn es Ihren Beruf anging?
Klaus Maria Brandauer: Meine Mutter ja. Mein Vater hingegen meinte, dass es keine gemähte Wiese ist, künstlerisch tätig zu sein. Aus Sorge hat er mich gebremst. Als ich Schauspielen studieren wollte, ließ er mich gewähren, aber nur unter der Bedingung, dass ich in seiner Nähe blieb, damit ich Freitag bis Sonntag zuhause sein konnte. „Und dann werde ich jedes Mal versuchen, es Dir auszureden“, sagte meine Vater oft. Er hätte mich gern Jus studieren sehen. Er hat das Ausreden sehr liebevoll gemacht, war respektvoll, aber er konnte es nicht verhindern. Als mein Vater dann viele Jahre später gestorben ist, habe ich in seinem Schreibtisch große Stapel von Zeitungsausschnitten und Kritiken gefunden, die über mich erschienen sind. Er hat sich wohl gefreut. Aber ich verstehe natürlich seine Sorge. Wenn meine Eltern heute noch leben würden, würden sie sich gerade in diesem Moment sorgen und denken: Hoffentlich macht er ein g’scheites Interview.
Mit Szabo haben Sie noch zwei Filme gedreht, „Hanussen“ und „Oberst Redl“.
Klaus Maria Brandauer: Nach dem Erfolg von „Mephisto“ war uns klar, dass wir wieder zusammenarbeiten wollten. „Oberst Redl“ ist für mein Gefühl mein wichtigster Film, den ich gemacht habe. Die drei Filme mit Szabo deckten 100 Jahre mitteleuropäische Geschichte ab, und ich bin sehr stolz, dass wir das gemacht haben.
Ihre Filmkarriere brachte Sie bis nach Hollywood, wo sie den einzigen inoffiziellen James-Bond-Film „Sag niemals nie“ (1983) drehten, und wo Sie einen Golden Globe und eine Oscarnominierung für „Jenseits von Afrika“ (1987) erhielten. Wie fühlte sich das an?
Klaus Maria Brandauer: Es ist immer eine sehr ernsthafte Arbeit, die dahinter steckt. Ein guter Film ist hier gut und in Hollywood auch. Ein schlechter ebenso. Man kann einen fantastischen Film machen um wenig Geld und man kann einen sehr schlechten Film machen um Millionen. Bei „Jenseits von Afrika“ wurden keine Kosten gescheut, das war ein opulenter Dreh! Die Besetzung war ungemein prominent, mit Meryl Streep und Robert Redford. Den James-Bond-Film wollte ich zunächst gar nicht machen, weil mich das Angebot geärgert hat: Was sollte ich mit so einer Operette, ich hatte mit „Mephisto“ doch einen tollen Film mitgebracht, und dann das? Heute bin ich froh, den Film gemacht zu haben. Er ist heute Kult, und war es damals schon und hat seinen Platz. Vor allem auch, weil diese Filme auch Teile des Kalten Krieges waren, wo man den Leuten zeigte, wer der Feind war. Und wer durfte die Feinde spielen? Wir Europäer natürlich. (lacht)
Sie haben zwei Mal selbst Regie geführt: Bei „Georg Elser - Einer aus Deutschland“ (1989) und „Mario und der Zauberer“ (1994). Wie kam es dazu?
Klaus Maria Brandauer: John Frankenheimer sollte den Elser-Film inszenieren, mit mir in der Hauptrolle. Doch dann zerstritt sich der Produzent mit Frankenheimer und ich bekam den Regiesessel angeboten. Meine Frau Karin, die damals wunderbare Filme gedreht hatte, habe ich mir zum Vorbild genommen, und versucht, von ihr so viel wie möglich über das Regiefach zu lernen. Ich war kein Regisseur, der durch Brennweitenangaben inszenierte. Ich hatte mit Kameramann Lajos Koltay ausgemacht, einen Film zu drehen, der, solange man etwas in Bildern ausdrücken kann, nicht spricht. Und das haben wir dann auch umgesetzt. Im ganzen „Georg Elser“ gibt es keine 200 Sätze. Der Film hatte leider nicht die Chance, in den USA gezeigt zu werden, weil die Produktionsfirma bankrott machte und alles in die Masse wanderte. Bis heute ist dieser Film in den USA nicht gezeigt worden.
Sie waren jahrelang als Jedermann in Salzburg zu sehen. Mit Ihnen hat der Kult um diese Rolle eigentlich so richtig begonnen. Wer den Jedermann gespielt hat, war in dem Moment der allerwichtigste Schauspieler.
Klaus Maria Brandauer: Das war nicht von Beginn an so, obwohl Alexander Moissi, der mit der Rolle begonnen hatte, das schon auch zelebriert hatte. Es wurde schnell zu einer Rolle, die wie eine Auszeichnung für die gemachte Karriere wirkte. Ich habe den Jedermann sehr gerne gespielt, und mein Ehrgeiz war, auf dem Domplatz so ruhig zu sprechen, wie wir zwei jetzt. Ich habe sieben Jahre den Jedermann gespielt. Sieben ist eine heilige Zahl, das hat gereicht.