Österreichs Oscar-Preisträger Michael Haneke („Amour“) wird am 23. März 80 Jahre alt. Wir gratulieren.
Die Interviewanfragen, die Michael Haneke aus Anlass zu seinem 80. Geburtstag am 23. März 2022 erhalten hat, quittierte er mit lockerer Ablehnung: "Ich finde, ein Geburtstag ist kein Interviewgrund", sagt er. Und: er habe sich oft genug über seine Filme geäußert. Damit soll nun Schluß sein. Immerhin: Im Österreichischen Filmmuseum widmet man dem Jubilar derzeit eine umfassende Retrospektive, bei der Haneke auch selbst vorbeigeschaut hat.
Haneke will niemals wirklich über sich selbst sprechen, aber durch seine Filme drückt sich der Regisseur am besten aus, wie er immer versichert. "Das weiße Band", "Die Klavierspielerin" oder "Caché" haben dazu beigetragen, dass Haneke zu einem der bedeutendsten europäischen Regisseure der Gegenwart wurde, der nicht nur die Goldene Palme, sondern auch den Golden Globe gewann und für seinen Film „Amour“ (2012) schließlich auch den Oscar für den besten fremdsprachigen Film. Ein Triumph für den lange Jahre als TV-Regisseur arbeitenden Künstler, der es mit „Amour“ bis ganz nach oben geschafft hat.
Dabei war das Filmemachen gar nicht Hanekes primärer Berufswunsch: "Es war mein Traum, Dirigent zu werden, aber leider hatte ich dazu zu wenig Talent. Mein Stiefvater war Komponist und Dirigent und sagte mir früh genug, dass das Talent dazu nicht reicht". Zurückgenommen ist der Einsatz von Musik in seinen Filmen, denn: "In keinem meiner Filme gibt es Filmmusik, weil mir die Musik zu wichtig ist, um sie dazu zu verwenden, meine Fehler zu kaschieren. Dennoch haben Film und Musik viel gemein: Bei beiden Künsten geht es stark um Rhythmus", so Haneke, der 1942 in München zur Welt kam. Durch Zufall, sagt er, weil seine Eltern (die Schauspieler Fritz Haneke und Beatrix Degenschild) gerade beruflich in der Stadt waren.
Seit 1974 macht Haneke mit großer Beharrlichkeit und unbeirrbarem, künstlerischem Ausdruck Filme, zunächst für das Fernsehen, wo er etwa mit dem Zweiteiler "Lemminge" (1979) seine eigene Jugendzeit im düsteren Wiener Neustadt der Nachkriegsjahre aufarbeitete. 1989 drehte er mit "Der siebente Kontinent" seinen ersten Kinofilm. Die nüchtern-kalte Schilderung eines geplanten Familienselbstmordes ist Auftakt zu seiner Trilogie über die "Vergletscherung der Gefühle", die durch "Benny's Video" und "71 Fragmente einer Chronologie des Zufalls" vervollständigt wurde. Alle seine Kinoarbeiten wurden beim Festival in Cannes gezeigt, Hanekes Stil entwickelte sich zu einem Kompendium des Unbequemen, das den Zuschauer und seine Phantasie in die Rolle eines Mitgestalters (Kritiker sagen "Mittäters") der Macht der Bilder zwängt. Mit der außerordentlichen Brutalität von "Funny Games" provozierte Haneke 1997 einen Skandal, 2008 drehte er ein 1:1-Remake des Films in den USA. Zuletzt drehte Haneke den Film „Happy End“ (2017), seither ist es ruhiger um den Regisseur geworden.
Unter Filmleuten gilt Haneke als absoluter Perfektionist, der jede Einstellung seiner Filme detailliert voraus plant. Wer sich seiner Vision nicht unterordnet, muss mit Gegenwehr rechnen. Auf Youtube gab es einen Clip zu sehen, in dem der Regisseur beim Dreh zu "Caché" ausrastet, weil unerwartete Kameraprobleme aufgetaucht waren.
Doch diese pedantische Umsetzung seiner Vorstellungen ist für Haneke essentiell: Nicht umsonst gilt sein Werk heute als eines der kinematisch spannendsten und wegweisenden der jüngeren Filmgeschichte - wenngleich es von der Kritik auch kontroversiell aufgenommen wird. Seine Filme zu interpretieren, das haben viele versucht, die meisten sind gescheitert. Ein geschätzter Kollege hat zu einem Haneke-Film 2001 ein Buch veröffentlicht, das sich mit der komplexen künstlerischen Kraft seines Werks auseinandersetzte. "Ich mache einfach nur Filme", meinte Haneke damals anlässlich der Buchpräsentation. "Aber Sie sind ein Journalist, sie müssen ja was schreiben.“
Alles Gute zum 80er, Herr Haneke. Und drehen Sie bitte noch einen Film, oder zwei!