Michael Ostrowski über seinen Genre-Mix „Der Onkel“, eine dunkle Tragikomödie mit Anke Engelke, Gerhard Polt, Simon Schwarz und Hilde Dalik.
Von Matthias Greuling
Onkel Mike (Michael Ostrowski) ist ein mieser Gauner und Spieler, eigentlich. Aber als er erfährt, dass sein vermögender Bruder im Koma liegt, kehrt er die Familien-Seite in sich heraus und gibt vor, Ehefrau Gloria (Anke Engelke) und den beiden Kindern zur Seite stehen zu wollen. Doch die ahnen schnell, dass der Onkel nichts Gutes im Schilde führt, sondern sich eigentlich in ein gemachtes Nest setzen will, um sich an dem Wohlstand des Bruders laben zu können. Derweil wird aber ruchbar, dass auch der komatöse Bruder in Machenschaften verwickelt war: Ein Seegrundstück, das er einst billig erwarb, wird zu Bauland umgewidmet, was die Familie zu Millionären gemacht hätte. Onkel Mike will dieses Geld gerne auf seinem Konto sehen, und es beginnt ein heilloses Hin und Her.
Was an „Der Onkel“ ganz vortrefflich gelingt, ist die (durchaus zugespitzte) Ausgestaltung der Figuren: Allesamt Karikaturen zwar, aber durch die richtige Besetzung perfekt platziert. Anke Engelke ist als verzweifelte Ehefrau wunderbar, aber auch in ihren emotionalen Momenten, die sie an ihre frühere Beziehung zum Onkel erinnern. Simon Schwarz und Hilde Dalik, die das Nachbars-Ehepaar spielen, sind Zündstoff für die Geschichte: Er ein pedantischer Polizist, sie sein lebenslustiges Gegenstück. Und auch Gerhard Polt als Gutachter hat einen launigen Auftritt. Ostrowski, der gemeinsam mit Helmut Köpping Regie führte, gelingt ein kurzweiliges Stück Austro-Kino, das manchmal tragisch, oft komisch, selten wie ein Schwank und voll mit schwarzem Humor ist.
Der Onkel und andere Filme mit Michael Ostrowski wie zum Beispiel: "Die Entführung der Elfriede Ott", "Hotel Rock 'n' Roll", "Nacktschnecken" oder "Contact High" sind auf CANAL+ über HD Austria verfügbar.
„Der Onkel“ ist eine Komödie, die man aber auch als Tragödie lesen könnte. Stimmen Sie dem zu?
Michael Ostrowski: Der Film ist durchaus vielschichtig, denke ich. Helmut Köpping und ich haben schon ganz lange über diese Geschichte nachgedacht, ehe wir daraus ein Drehbuch gemacht haben. Aber die Geschichte war immer getrieben von dieser Figur, dem Onkel. Da kommt ein solcher Strolch daher, ein Dieb eigentlich, und schleicht sich in das Haus seines Bruders ein, der ins Koma gefallen ist. Man weiß eigentlich nicht, ob er Gutes oder Böses im Schilde führt, und was da alles war in seiner Vergangenheit. Das war die Grundidee. Und daraus haben wir die Geschichte entwickelt, haben einen Korruptionsstrang eingebaut, also eine typisch österreichische Korruptionsgeschichte entworfen. Aber in der ersten Reihe stehen immer die Figuren und ihre sehr unterschiedlichen Ziele, Träume und Motivationen. Und dann der Schicksalsschlag mit seinem Bruder: Man denkt doch nur: Was zum Teufel geht da ab?
Ein wilder Genre-Mix ist die Grundlage für diesen Plot.
Michael Ostrowski: Der Film ist vom Genre her nicht wirklich einzuordnen, das stimmt, aber was man relativ fix sagen kann: Es ist sicherlich die erste melodramatische schwarze Komödie mit Tierparabel. Die wahre Geschichte eines Bauern hat uns zu dieser Analogie inspiriert: Der Habicht am Beginn des Films ist ein Synonym für den Onkel. Normalerweise stürzt sich ein Habicht aus der Luft herab auf seine Beute, aber hier spaziert er mit seinen potentiellen Opfern gemeinsam in den Stall, um sich einzuschleichen und ordentlich aufzumischen. Natürlich will er Beute machen, aber der Plan hat sich geändert, denn nun wittert er die große Chance, den ganzen Stall zu übernehmen. Der Räuber muss entscheiden, wie er vorgeht, ob er tötet oder liebt, ob er wieder flieht oder sein Federkleid abstreift und selbst zum Huhn mutiert.
Sie schreiben seit „Nacktschnecken“ immer wieder die Drehbücher zu Ihren Filmen. Hat sich dieser Prozess über die Jahre gewandelt?
Michael Ostrowski: Ja, denn man wird ein anderer Mensch mit der Zeit. Als ich „Nacktschnecken“ begann, war ich noch kinderlos, als der Film fertig war, hatte ich zwei Kinder! Das verändert alles. Und man kann die eigenen Lebenserfahrungen in die Geschichten einfließen lassen, oder sie inspirieren einen zu neuen Ideen. Mit „Nacktschnecken“ wollte ich damals wirklich was Neues machen, ein Neuland betreten, wo der österreichische Film noch nicht war. „Der Onkel“ ist ein ganz anderer Film geworden, als „Nacktschnecken“ oder auch als „Die Entführung der Elfriede Ott“. Es gibt aber doch eine Verwandtschaft, würde ich sagen.
Der schwarze Humor vielleicht, der viele ihrer Geschichten durchzieht?
Michael Ostrowski: Möglich. Die Geschichte funktioniert zu allererst auf einer sehr einfachen menschlichen Ebene: ein Schicksalsschlag bringt eine Familie ins Taumeln, erschüttert die leidtragenden Familienmitglieder, sie starren plötzlich in ein schwarzes Loch, den möglichen Todes des Vaters. Die Ankunft des Onkels beschleunigt die Katharsis, er wirkt als Zündstoff und Katalysator und sowohl die Kinder wie auch die Ehefrau beginnen ihr bisheriges Leben zu hinterfragen. Mike ist da und will sich seinen Teil des guten Lebens holen. Er ist ein Raubvogel, er hat einen zerstörerischen Einfluss auf diese Familie, ebenso wie einen befreienden. Und obwohl die Ereignisse des Films tief dramatisch sind, schwingt auch immer eine große Komik mit, denn Weinen und Lachen sind zwei Zwillings-Brüder, die gemeinsam aufgewachsen sind, wie auch der Onkel Mike im Film anmerkt. Aus der Tragik entsteht immer auch die Komödie.